Die Vorbereitungen zur EuroShop 2017 vom 05. – 09. März in Düsseldorf laufen bei uns bereits auf Hochtouren. Dirk Frintrop, CEO der Bütema AG spricht im Interview über die aktuellen Herausforderungen im Handel und gibt spannende Einblicke in Neuentwicklungen, die auf der Messe vorgestellt werden.
Wie erleben Sie die aktuelle Situation im stationären Handel? Was hat sich im Laufe des letzten Jahres verändert?
Ich würde sagen der Tag der Wahrheit ist gekommen. Die am Markt diskutierte Notwendigkeit der Digitalisierung ist jetzt endgültig da. Der Druck auf die Einzelhändler im Fashion- und Lifestyle Bereich hat stark zugenommen, was sich auch durch die vielen Insolvenzen im letzten Jahr zeigt. Es gibt keinen Händler mehr, der sich dem Thema noch entziehen kann. Die Konsolidierung hat begonnen. Marken die schlecht aufgestellt sind, werden das nicht überleben. Die großen Vertikalen haben sich bereits auf den richtigen Weg gemacht. Hier erkennen wir positive Entwicklungen. Insofern kann man zusammenfassen, dass sich einiges getan hat. Die Zeit des Redens ist vorbei. Die Zeit des Handelns stellt jetzt viele Unternehmen vor große Herausforderungen.
Worin liegen Ihrer Meinung nach die aktuellen Herausforderungen im Handel?
Im ganz Wesentlichen nach wie vor in den Themen Frequenz und Erlebnis. Die Kernfrage ist, wie kann ich als stationärer Händler rund um die Uhr mit den personalisierten Angeboten und der maximalen Verfügbarkeit des E-Commerce konkurrieren? Wie kann ich den Komfort des Onlineshopping aufwiegen durch Emotionen, Erlebnisse und passgenaue Angebote trotz der Anonymisierung im stationären Handel? Die Anonymität der Kunden ist ja ein großer Nachteil des stationären Handels im Vergleich zum E-Commerce. Wenn der Kunde das Geschäft betritt, weiß ich nichts über ihn. Weder was er letzte Woche gekauft hat, noch was er sich heute Morgen in meinem Onlineshop angeschaut hat. Der E-Commerce ist hier durch Big Data natürlich klar im Vorteil. Meiner Meinung nach ist es aber nicht möglich, diese personalisierte Ansprache des E-Commerce auch im stationären Handel zu erreichen. Der Kunde bekommt hier erst ein „Gesicht“ und kann in einen Datenkontext eingeordnet werden, wenn er an der Kasse steht und bezahlt. Durch Kundenkarten, die viele Einzelhändler anbieten, weiß ich erst bei Kaufabschluss was er letzte Woche gekauft hat. Das bedeutet ich kann nur im After Sales Bereich ansetzen und personalisierte Angebote machen. Zum Beispiel durch Emails, Whats App Nachrichten oder SMS. Im Sinne von „Du warst doch letzte Woche in unserem Store einkaufen, schau mal wir haben jetzt den passenden Schal zu deiner Bluse, komm vorbei!“. Das ist ein Weg des Omnichannel und Einer der den Kunden überrascht.
Ein weiteres Problem ist, dass der Kunde im Store nichts Neues mehr erfährt. Studien belegen, dass 60% der Kaufentscheidung bereits gefallen sind, bevor der Kunde den Laden betritt. Umso mehr ist es die Aufgabe des Handels Emotionen zu vermitteln, an den Kernkompetenzen anzusetzen und dem Kunden zu zeigen was man kann.
Für uns ist außerdem das bisher noch unterschätzte Problem der Warenverfügbarkeit im Handel äußerst interessant. Kunden erwarten wechselnde Warensortimente, weshalb Händler keinen Riesensatz Ware mehr bestellen, der dann über ein halbes Jahr im Store hängt. Vielmehr sind immer wieder neue Artikel gefragt um den Kunden zu begeistern und für Abwechslung zu sorgen. Diese Artikel können dann aber natürlich nur in einer geringen Stückzahl im Geschäft vorrätig sein. Um Kunden trotzdem optimal bedienen zu können, sind Systeme nötig, die die unkomplizierte Bestellung von nicht mehr verfügbaren Artikeln direkt vom Ladengeschäft aus ermöglichen. Händler brauchen ein System das den Bestand der Filialen und den des Onlineshops vereint. Ist der Kunde an einem Artikel interessiert, den es beispielsweise nicht mehr in seiner Größe oder in der gewünschten Farbe im Geschäft gibt, hat er die Möglichkeit den Artikel schnell und unkompliziert mit Hilfe von Self Service Systemen direkt nach Hause zu bestellen.
Welche technologischen Neuentwicklungen stellen Sie auf der EuroShop 2017 vor um den Herausforderungen der Händler zu begegnen?
Im Wesentlichen geht es für uns darum im stationären Handel Gleichheit der Mittel mit dem E-Commerce zu erreichen. Das Stichwort lautet hier Big Data: Informationen sammeln und auswerten. Daher zeigen wir auf der EuroShop im März zum ersten Mal unseren Insights Bereich, der auf Basis einer Gesichtserkennungssoftware und Sensoren Daten zur Kundenfrequenz und -struktur sammelt. Es wird möglich sein die Lösung langfristig einzusetzen, was bisher eher ungewöhnlich ist. Einzelhändler können dann analysieren welche Zielgruppe bei ihnen einkauft und Rückschlüsse ziehen um diese Gruppe bestmöglich anzusprechen, beispielsweise durch die Anpassung der Digital Signage Ausspielungen an die Besucher im Laden. Die Daten sind dabei immer anonym, daher kann nur von Alters- und Geschlechtsgruppen gesprochen werden. Wir schöpfen den rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmen voll aus, denken aber dass dieser in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten angepasst werden wird. Die Rechtsprechung folgt ja grundsätzlich der gesellschaftlichen Entwicklung und Akzeptanz. Wir denken, dass sich Kunden zukünftig für personalisierte Angebote im Laden aussprechen werden. Dafür muss ich natürlich wissen wer vor mir steht.
Letztlich versuchen wir mit all unseren Entwicklungen immer an den Problemen unserer Kunden anzusetzen. Das Ziel ist Händler und Mitarbeiter durch digitale Tools bestmöglich zu unterstützen, damit sie ihren Kunden ein perfektes Einkaufserlebnis bieten können.